Digital nudging – ein Thema für die Verbraucherinformatik?
Wie ein Konzept der Verhaltensökonomik die Verbraucherinformatik ergänzen könnte
Während das Konzept des Nudgings immer wieder in der Kritik steht eine subtile Form der Verhaltenssteuerung darzustellen und die Selbstbestimmung des Individuums einzuschränken, wird dabei oft übersehen, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, Nudging zu betreiben. Eine dieser Formen ist das selbstverpflichtende, oder selbstkontrollierte Nudging. Diese basiert auf einer klaren Einvernehmlichkeit und persönlichen Zielsetzung des Individuums und könnte bei der Gestaltung von Mensch-Maschinen-Schnittstellen, wie Smartphone-Apps, zukünftig an Bedeutung gewinnen.
Das Konzept des Nudgings lässt sich relativ leicht auf die digitale Welt übertragen (siehe hierzu bspw. das DINU-Modell[1] oder den Design-Cycle[2]). Im Bereich der Wirtschaftsinformatik stehen die Gestaltung von Design-, Informations- und Interaktionselementen ohnehin im Zentrum von unzähligen Forschungs- und Entwicklungsteams. Eine besondere Bedeutung für die Verbraucherinformatik könnten jedoch einvernehmliche Formen des Nudgings, sogenannte Precommitment-Strategien, darstellen. Während die meisten Nudging-Methoden beim Rezipienten relativ unbewusst ablaufen und sich daher mit der ethischen Diskussion um Paternalismus konfrontiert sehen, zeichnen sich Precommitment-Strategien durch eine klare Zustimmung und die individuelle Bereitschaft zur Verhaltensanpassung der Rezipienten aus. Dabei sollen Nutzende eigene Ziele setzen und darauf basierend mit den eigenen Handlungen konfrontiert werden.
Der Vorteil von persönlich formulierten Zielen liegt dabei nicht nur in einer höheren intrinsischen Motivation, diese Ziele auch zu erreichen. Ein durch die Zielformulierung angestoßener Auseinandersetzungsprozess könnte bereits im Vorfeld Bewusstsein für spezielle Themen wie Datenschutz, Nachhaltigkeit oder den Umgang mit digitalen Produkten und Dienstleistungen schaffen. Zudem stehen hier die persönlichen Interessen des Rezipienten, nicht die des Plattformbetreibenden im Vordergrund. Und das ist schließlich ein Kernanliegen der Verbraucherinformatik.
Viele digitale Anwendungen und Plattformen nutzen Precomittment-Nudging bereits – die Verbraucherinformatik könnte hier dennoch einen klaren Vorschub leisten und zukünftig darauf hinwirken, digitale Nudges breitflächig nach den Vorstellungen der VerbraucherInnen, statt denen des Stupsenden zu gestalten.
[1] https://www.researchgate.net/publication/317661783_The_DINU-Model_-_A_Process_Model_for_the_Design_of_Nudges
[2] https://www.researchgate.net/publication/320419336_Digital_Nudging_Guiding_Online_User_Choices_through_Interface_Design